Das nordkoreanische Regime hat einen ranghohen Diplomaten verloren: Thae Yong-ho, seit zehn Jahren stellvertretender Botschafter des Landes in London, ist zum Erzfeind Südkorea übergelaufen.
Wie genau die Flucht ablief, ist bisher nicht bekannt. Thae lebte auf oder nahe des Botschaftsgeländes. Der 55-Jährige verließ den Ort mitsamt seiner Familie. Der britische Guardian berichtet, auf einmal sei sein Sohn aus den sozialen Medien verschwunden und für seine Freunde nicht mehr auffindbar gewesen. Wo sich Thae und seine Familie derzeit aufhält und wie sie eventuell sogar nach Südkorea gekommen sind, ist unklar.
Mehr als zehn Jahre war Thae als Diplomat mit Themen rund um die EU und Großbritannien befasst. Er trat als Redner auf kommunistischen Veranstaltungen in England auf und kritisierte westliche Presseberichte über sein Land als sensationslüstern. Was einen braven Parteisoldaten wie ihn dazu bewegt hat, überzulaufen, darüber wird bisher nur spekuliert.
Thae habe gesagt, er sei des Regimes von Kim Jong-un müde, so ein Sprecher der südkoreanischen Regierung. Er strebe nach Südkoreas freiheitlicher Demokratie, und er mache sich Sorgen um die Zukunft seiner Kinder.
Spekulationen über die Gründe der Flucht
Ob das die wahren Gründe des abtrünnigen Diplomaten sind, da sind sich Beobachter nicht so sicher. Er habe sich in seinen zehn Jahren als regierungstreuer Diplomat erwiesen, sagt Yang Mu-jin, Professor an der Universität für nordkoreanische Studien. Er vermutet dagegen, die Familie könnte in Aktionen gegen die nordkoreanische Regierung involviert gewesen sein. Das habe Thae möglicherweise zur Flucht bewegt.
Immer wieder gibt es Fälle von Republikflucht in Nordkorea. 814 sind nach Angaben der südkoreanischen Regierung allein in diesem Jahr nach Südkorea gekommen. Die Zahl derer, die Kim Jong-un den Rücken kehren, wächst. Unter ihnen war erst kürzlich eine Gruppe von Kellnerinnen ebenso wie Diplomaten. Mit Thae Yong-ho hat nun allerdings der bisher ranghöchste Vertreter den abgeschotteten Staat verlassen.