Ich bezeichne mich nicht als akademischen Maler, da sie mir zu wenig Spielraum für das Experi- mentelle lässt. Ich orientiere mich an den heutigen, aktuellen Kunst, denn ich brauche das Spiele- rische und Experimentelle. Meine Bilder beginnen mit einem Pinselstrich und jeder Pinselstrich ist eine Linie; ein Punkt ist für mich eine verkürzte Linie oder auch der Anfang für eine Linie.
In unserer Sozialisation, angefangen mit der Geburt sind viele Lebenslinien schon vorgegeben. Wir werden bestimmt und geleitet von Regeln, Bestimmungen, An- und Verordnungen, Gesetze, Erzie- hung und Bildung. Diese Vorgaben muß jedes Individuum durchlaufen; es sind lineare Prozesse zwangsläufig im Lebensverlauf. Lebenswege können durchbrochen werden wenn man sie verlässt und aussteigt, aber damit beschreitet man auch schon einen neuen Weg.
Es entsteht ein neuer linearer Prozess. Auch ist es nicht möglich ohne Konsum zu leben, irgend- etwas konsumieren wir immer, ( lineare Konsumwelten ) aus diesem Prozess können wir nicht heraus. Jeder Mensch hat in seinem Habitus bestimmte Rituale die er bewusst oder unbewusst immer wieder verfolgt und anwendet. ( Pierre Bourdieu ) Es ist unmöglich sich einem linearen Prozess zu entziehen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht diese Liniarität in meiner Kunst als Linearismus in unterschiedlichen Darstellungsweisen zu verarbeiten, denn lineare Prozesse bestimmen unser Leben.
Bei meinem Stil "absoluten Linearismus" lasse ich der Geradlinigkeit keine Chance. Ich ziehe mit einem befestigten Pinsel an der Spitze eines Floretts Linien über eine Leinwand und schaffe durch die Beweglichkeit der Klinge meinen eigenen physischen Automatismus.
Mein Stil "extremer Linearismus" zeichnet sich durch kreisende Linien die ich über das Blatt ziehe aus. Es beginnt mit kreisenden Bewegungen des Stiftes, um das Motiv zu gestalten, ver- dichte oder vergrößere ich diese Bewegungen und zeichne auf diese Weise das Motiv. Das Bild bekommt dadurch eine bewegende Dynamik.
Der Linearen Reizüberflutung mit Konsumgütern setze ich meinen "konsumtiven Surrealismus" entgegen. Konsumgüter stehen als Metapher für menschliche Gefühle und Erlebnisse. Im Gegen- satz zur Pop Art kreiere ich mit meinen Konsumgütern surreale Bildwelten und teile ihnen eine neue künstlerische Aufgabe zu.
Nach jahrelanger Beschäftigung mit der Linie eine persönliche Anmerkung zum Abschluss: ob Schicksal oder Fügung, ich bin in einer Straße mit dem Namen LINIENWEG in einem Dorf in Ostfriesland aufgewachsen. Copyright: Michael Kaphengst