- Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der Bundesregierung versuchte Einflussnahme auf die türkische Justiz vorgeworfen. «Sie wollen, dass die Justiz in der Türkei eine Institution ist, die ständig Befehle entgegennimmt», sagte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Donnerstag in Ankara zur deutschen Forderung nach einer Freilassung von Peter Steudtner. «Und sie sind es, die die Befehle erteilen sollen. Das ist vor allem Respektlosigkeit gegenüber der türkischen Justiz.» Kalin sagte zugleich, die EU-Mitgliedschaft sei weiterhin Ziel der Türkei.
Die Reisehinweise, mit denen Deutschen zu erhöhter Vorsicht geraten wird, verurteilte Kalin. Von einer Gefährdung von Deutschen in der Türkei könne «gar keine Rede sein». Terrorverdächtige Deutsche und rechtskonforme Bundesbürger in der Türkei «in einen Topf zu werfen», sei «politische Verantwortungslosigkeit», kritisierte er. «So etwas akzeptieren wir nicht. Wir hatten immer gute Beziehungen zu Deutschland und wollen sie auch weiterhin haben.» Mit rechtskonformen Deutschen «haben wir überhaupt keine Probleme. Sie sind hier unsere Gäste, und wir wollen hier noch mehr deutsche Touristen sehen».
Kalin störte sich auch daran, dass Bundesaußenminister Sigmar Gabriel von Investitionen in der Türkei abriet. Es sei «nicht akzeptabel», aus politischen Berechnungen heraus die wirtschaftlichen Beziehungen zu beeinträchtigen, sagte Erdogans Sprecher. «Deutschland ist für uns ein wichtiger Handelspartner.» Kalin führte den verschärften Kurs auf den Bundestagswahlkampf und auf Feindseligkeit gegen die Türkei und Erdogan zurück. Diese feindselige Einstellung gegenüber Erdogan habe in Deutschland inzwischen «das Niveau von Verfolgungswahn» erreicht.
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht sich durch die Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik in seinem kritischen Kurs bestätigt. Er begrüße es, dass der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel seine Beurteilung der Lage und den Umgang mit der Türkei überdacht habe, sagte Kurz am Donnerstag in Wien. «Vor einigen Wochen hat er mich noch für meine klare Haltung kritisiert und mir Populismus vorgeworfen.» Er bleibe bei seiner Einschätzung, dass sich diese Türkei immer weiter von der EU wegbewege, so Kurz. «Die EU muss jetzt endlich zu einer klaren Haltung gegenüber der Türkei finden und anstelle eines EU-Beitritts eine geordnete Zusammenarbeit mit der Türkei als Nachbarn anstreben.»