Die Mode der 90er Jahre wird von einer Untergrund-Bewegung bestimmt, die zur alles abdeckenden und einnehmenden Subkultur wurde, dem Grunge. Es gab Grunge-Filme, Grunge-Magazine, Grunge-Musik, Grunge-Fotografie. Die „Grunge Attitude“ umfasste die Ablehnung der Konsumgesellschaft durch die Rocker von Seattle ebenso wie die Hinterfragung des Systems durch die Modeschöpfer. Schönheit – die lag nun im Chaos, in der Verweigerung, im bewussten Weniger, im Schmutz. Bands wie Nirvana und Pearl Jam setzten musikalisch und ästhetisch Maßstäbe. Dresscode: löchrige Jeans, durchgelaufene Schuhe und das berühmte karierte Flanellhemd, eigentlich ein banales wie beliebtes Kleidungsstück in und um Seattle. Recycling und Understatement waren die Schlagwörter, adrette Kleidung wurde als spießig verpönt. Die Ästhetik von Garagenrock und Bohème-Leben hielt Einzug auf der Straße und wurde erfolgreich von kommerziellen Marken aufgegriffen – bis sie sich paradoxerweise zum „Glunge“ weiterentwickelte, einem zynischen Glamour-Grunge, in dem die zerschlissene Jeans zum Luxusprodukt avancierte.